Songwriting abseits von Dur und Moll – Teil II
Vor einigen Jahren in ich zufällig auf andere Skalen als Dur, Moll und harmonisch Moll gestoßen. Ohne es zu wissen, schrieb ich nach Moll klingende Songs, die sich später als dorisch und lydisch herausgestellt hatten. Dieses Jahr habe tobte ich mich ungewollt in weiteren Moden aus.
Hinweis: Ich schreibe Musik nach Gefühl und habe kein fundiertes Wissen in Musiktheorie. Wer darauf Wert legt, sollte sich nicht meinen Blog durchlesen. Ich empfehle vorher meinen Artikel über Songwriting in Kirchentonarten zu lesen, wenn euch das Wort modal nichts sagt.
Es gibt mehr modale Skalen
Mir wurde erst beim Komponieren eines Songs bewusst, dass es mehr Skalen gibt als Kirchentonarten (zu denen auch Dur aka. ionisch und natürlich Moll aka. aeolisch gehören), die ich in meinem letzten Artikel vorgestellt hatte. Ich dachte, ich hätte einen Song in A-Moll geschrieben, bis mir bewusst wurde, dass das Gitarrenthema C# statt C benutzt. Es stellte sich heraus, dass ich die Töne von D harmonisch Moll benutzt, wobei der Grundakkord A-Dur ist. Das Ganze nennt sich A mixolydisch b6. Da die Tonart einen Ton von A mixolydisch entfernt liegt, konnte ich den Bezug erstehen, aber was genau dieses b6 zu bedeuten hatte, war mir lange Zeit unklar, denn Musiktheorie interessierte mich nicht.
Das änderte sich schlagartig, als ich „Good Morning Blues“ schrieb. Es war das erste Mal, dass ich enorme Probleme hatte, zu einer existierenden Melodie Akkorde zu finden. Nach einigen Gesprächen mit Musiker*innen stellte sich heraus, dass meine Melodie in E lydisch b7 geschrieben war. Noch ein seltsamer Name, den ich zum ersten Mal hörte. Also recherchierte ich über diese seltsamen Tonarten und beschloss, das Wissen mit euch zu teilen.
Moden der harmonischen Moll Skala
In meinem vorherigen Artikel über Songwriting in modalen Skalen hatte ich beschrieben, wie man die Moden durch zyklische Vertauschungen von Tänen der natürlichen Mollskala (aeolisch) erhält. Beginnend mit A, machen wir dasselbe mit der harmonischen Molltonleiter und erhalten dies hier:
A - H - C - D - E - F - G# = A äolisch #7 (harmonisch Moll) H - C - D - E - F - G# - A = H lokrisch 6 C - D - E - F - G# - A - H = C ionisch #5 D - E - F - G# - A - H - C = D dorisch #4 E - F - G# - A - H - C - D = E phrygisch b3 (alteriert phrygisch) F - G# - A - H - C - D - E = F lydisch #2 G# - A - H - C - D - E - F = G# superlokrisch b4 b7 (alteriert vermindert)
Wenn man nicht kopfüber in Musiktheorie steckt, wird man diese Namen seltsam finden. Die Vorzeichen # und b sagen welcher Ton der Skala (Stufe) alteriert werden muss. So erhält man äolisch #7, wenn man die 7. Position, um einen Halbton erhöhe. Wenn ich bei A äolisch (A – H – C – D – E – F – G) aus dem G ein G# mache, erhalte ich A äolisch #7, oder auch A harmonisch Moll.
Moden der melodischen Moll Skala
Manchen dürfte bewusst sein, dass die melodisch Moll aus zwei verschiedenen Skalen besteht, je nachdem ob man es aufwärts oder abwärts spielt. Die absteigende Skala ist equivalent zu natürlich Moll (äolisch). Die Moden dazu findet man in meinem vorherigen Blogpost. Deswegen kümmern wir uns nur um die aufsteigende Skala. Wir nutzen denselben Trick und kommen auf folgende modale Skalen:
A - H - C - D - E - F# - G# = A melodisch Moll H - C - D - E - F# - G# - A = H dorisch b2 C - D - E - F# - G# - A - H = C lydisch #5 (lydisch augmentiert) D - E - F# - G# - A - H - C = D lydisch b7 (lydisch dominant) E - F# - G# - A - H - C - D = E mixolydisch b6 F# - G# - A - H - C - D - E = F# lokrisch ♮2 (halbvermindert) G# - A - H - C - D - E - F# = G# superlokrisch (alteriert)
Hier fängt es an, kompliziert zu werden. Viele Skalen haben ähnliche Namen, sodass man klar kommunizieren muss, welche Alterierung man meint. Hinzu kommt, dass es unterschiedliche Meinungen zu alterierten Skalen gibt, sodass man lieber die verwendeten Tönen geben sollten. Das dürfte auch die Musiker*innen mitnehmen, die nichts von modalen Skalen, Musiktheorie oder Jazz Standards verstehen.
Gibt es noch mehr Skalen?
Das war nicht das Ende der Fahnenstange – Es gibt noch mehr Skalen! Die ich in diesem und vorherigem Artikel erwähnt habe, ergeben sich aus Dur, natürlich Moll, harmonisch Moll und melodisch Moll. Wenn ihr anfangt, einzelne Noten zu verändern oder eine unterschiedliche Anzahl an Tönen verwendet (siehe Pentatonik, Hexatonik Blues, Bebop Skalen), eröffnen sich neue Horizonte. In anderen Kulturen sind andere Stimmungen und Temperamente (mathematische Unterteilungen der Töne innerhalb einer Oktave) üblich. Manchmal stolpert man über Mikrotonalität, also Skalen, die Töne zwischen den Tönen enthalten. Diese neue Welt kann bedrohlich wirken, also versucht bloß nicht alles auf einmal zu verstehen.
Moden und exotische Skalen können Songs interessanter machen. Je unkonventioneller die Akkordfolgen, desto weniger bleiben sie im Kopf. Sie sind ein schönes Hilfsmittel, um Neues auszuprobieren oder sich im Jazz, Fusion, Art Pop, World oder experimentellen Musik auszutoben. Allerdings wird es euch sehr schwerfallen, einen eingängigen Popsong zu schreiben. Coldplay nutzen in ihren Kompositionen durchaus lydisch und dorisch – Metallica hat einige Songs in phrygisch. Ich bin sogar auf mikrotonalen Progressive Metal gestoßen. Manchmal höre ich auch arabische Skalen in Trap Musik, aber mir aber noch kein Popsong in superlokrisch begegnet.
Das Problem mit der Harmonisierung
Die Arbeit mit exotischen Skalen und Jazzskalen ist sehr herausfordernd, weil man sie nicht mehr so schematisch begleiten kann wie eine Durskala. Das liegt schlichtweg daran, dass die Skalen, die ich in diesem Artikel beschreibe, keine Paralleltonarten von Durskalen sind! Die Abstände sind anders und es kommen Änderungen hinzu, die es verdammt schwer machen, passende Dur und Moll Akkorde zu finden. Man wird Akkorde wie dim, aug, 6/9, 7b5 oder alt nicht umgehen können. Doch diese kennen viele Pop- und Rockmusiker*innen nicht. Wenn man die Theorie dahinter verstehen möchte, führt kein Weg am Jazzkurs vorbei.
Es hilft jedoch, die oben genannten Skalen als verschobene harmonisch Moll und melodisch Moll Skalen zu sehen. Man kommt auf ein paar Akkorde, aber dieses modale Gefühl stellt sich erst ein, wenn man die charismatischen Töne und Akkorde gefunden hat. Hier ist ein einfaches Beispiel: Wärst du in der Lage, einen Song in A Moll zu komponieren, der überwiegend Dur Akkorde verwendet? Du wirst dich damit schwer tun und automatisch zu Am, Dm und Em greifen. Sonst wird der Song automaitsch nach C Dur klingen.
Wo lernt man, welche Töne und Akkorde charismatisch für die jeweilige Tonart sind? Es gibt Tabellen in Büchern zur Jazztheorie, die dir z.B. sagen, dass man lokrisch mit m7b5b9 und 11b13 zusammensetzen kann. Aber was bedeutet das genau? Und wie soll man eine hexatonische Skala mit dem bisschen Theorie aus der Schule harmonisieren? Auch als Songwriter*in für Pop und Rock bleibt oft nur versuchen und scheitern.
Wie kann ich modale Skalen verwenden?
Ich gebe zu, dass ich mit meinem Latein am Ende bin. Ich kann keinen Song in einer beliebigen Tonart schreiben. Okay, vielleicht kriege ich einen schnöden 4 Akkord Song in Dur und Moll hin. Wenn ich Songs schreibe, denke ich nicht viel nach. Es ist okay, wenn ich in G superlokrisch lande, aber es ist auch okay, wenn es C-Dur ist. Und wenn ich zwischendurch Skalen wechsle oder Akkorde aus anderen Tonarten leihe, ist das auch in Ordnung.
Eine seltsame Akkordfolge ist nicht falsch! Beginnt Songs zu hören, die Akkorde aus anderen Tonarten und modale Skalen nutzen, die Tonart wechseln oder andere Extravaganzen nutzen. Ich denke nicht, dass modale Skalen ein Muss sind. Man kann gute Songs mit komplexen Akkordprogressionen schreiben oder sich auf der Durskala austoben.
P.S. Musiktheorie ist nicht mein Ding. Verzeiht mir bitte, wenn ich falsche Begriffe nutze oder kommentiert. Der Blogartikel wird nach und nach überarbeitet. Ich erhalte kein Geld für Verlinkungen und Namensnennungen. Ich teile mein Wissen, weil es mir Spaß macht.