So fand ich meinen eigenen Zeichenstil (Teil 1)
Die meisten Künstler*innen finden ihren eigenen Zeichenstil nach sehr langer Zeit. In über 20 Jahren habe ich von Manga über Naturalismus; Stillleben bis Portraitmalerei; Bleistift bis digitalem Aquarell so ziemlich alles an Zeichenstilen, Werkzeugen und Motiven ausprobiert. Das ist wichtig, damit man seinen eigenen Zeichenstil findet. In diesem und dem folgenden Post werde ich euch erklären, wie ich meinen eigenen Zeichenstil fand und was meine wichtigsten Etappen und Erkenntnisse dabei waren. Hier ein Blick in meine Anfänge.
Zeichnen statt kneten
Ich finde es sehr wichtig, dass man in jungen Jahren verschiedene Formen der Kunst ausprobiert. Nur wenn einem die Malerei nicht liegt, heißt es nicht, dass man kein Talent für Kunst hat. Während bei der Malerei räumliches Abstraktionsvermögen gefördert wird, spielen haptische Fähigkeiten bei der Bildhauerei eine wesentlich größere Rolle.
Der Schulunterricht war in Blöcken aufgeteilt, in denen sich Schüler*innen entweder einem bestimmten Motiv, einer Epoche oder einer Methode widmeten. Auf diese Weise konnte ich Pappmaschee, Kohle, Pastellkreide, Ton, Acrylfarben und textile Gestaltung ausprobieren. Dadurch stand sehr früh fest, dass mir Malen und Zeichnen wesentlich mehr liegt als Basteln, Formen, Kneten und Schneidern.
Mein erster Comic war ein Manga
Inspiriert von Anime und Manga, zeichnete ich im Alter von 10 Jahren einen Fan Fiction Comic, der insgesamt auf 18 Bände à 30 DIN-A4-Seiten kam. Stilistisch ist das Werk eine Persiflage auf das beliebte Shonen Manga Genre. Das sind japanische Comics, die für das junge männliche Publikum ausgerichtet sind, starke Helden und Action enthalten. Obwohl die Story recht konfus war und der Stil natürlich nicht mit meinen Vorbildern mithalten konnte, wurde er von meinen Mitschülern gerne gelesen. Ich lernte durch das Comiczeichnen, wie man Figuren in unterschiedlichen Perspektiven so darstellt, dass man sie wiedererkennen kann.
Stellvertretend für meinen ersten Comic zeige ich euch ein Bild von Mei-Ling Li aus dem Anime Card Captor Sakura (Link führt zu Wikipedia). Ich habe sie in einem an Dragonball Z angelehnten Outfit und in einer Kampfpose gezeichnet.
Vom Fan Fiction Manga zum eigenen Zeichenstil
Im Jahr 2001 folgte ein Comic namens Satoshi mit ungefähr 9 Bänden à 30 DIN-A4-Seiten. Pantoffelheld Satoshi lernt auf seiner Reise andere Comicfiguren kennen. Durch das Abzeichnen beliebter Helden lernte ich die Zeichenstile unterschiedlicher Mangaka und Comiczeichner*innen aus aller Welt kennen. Weder die filigrane Strichführung vieler Shoujo Manga, noch die kontrastreiche Schattierung der Marvel und DC Comichelden, sagte mir beim Zeichen so sehr zu, dass ich sie mir zu eigen machte. Mir kamen beim Zeichnen aber auch keine Ideen, einen eigenen Manga- oder Comicstil zu erschaffen.
In den späteren Bänden fanden neben Satoshi immer mehr eigene Figuren Platz, die weder zum einen noch zum anderen Stil passten. Ich übernahm den wilden Linienzug aus amerikanischen Comics, die bunte Farbgebung vom Manga und achtete auf realistische Proportionen. Auf diese Weise fand ich einen eigenen abstrahiert realistischen Stil, den ich mehrere Jahre beibehielt. Gewisse Aspekte davon werdet ihr auch noch in meinen heutigen Werken erkennen.
Da sich der gebundene Comic leider nicht einscannen lässt, gibt es stattdessen eine Illustration aus dem Jahr 2002. Sie zeigt zwei eigene Hauptfiguren, die dafür verantwortlich sind, dass die Comicwelten zueinander gefunden haben. Da Satoshi meine erste zusammenhängende Geschichte war, betrachte ich ihn als Meilenstein.
Warum aus mir keine Mangaka wurde
Der Manga-Boom in Deutschland zog immer weitere Kreise. In der Hoffnung Mangaka (Mangazeichnerin) zu werden, wagte ich 2003 einen weiteren Versuch. Dafür legte ich das neue Projekt in japanischer Leserichtung (rechts nach links, oben nach unten) und in japanischen Maßen an. Technisch war ich durch den Kauf spezieller Zeichenfedern, einem Arsenal hochwertiger Bleistifte, Knetradiergummis und Rasterfolien bestens ausgestattet.
Es ist eine Herausforderung, Panels (Kästchen in Comics) in einer anderen Leserichtung zu planen, als man gewohnt ist. Außerdem tat ich mich schwer, typische Manga-Proportionen anzuwenden und konnte meine namenlose Hauptfigur auch nach zwei Wochen nicht auswendig zeichnen. Tuschen wurde zu einer der größten Herausforderungen. Je feiner die Feder, desto welliger die Linie, aber eine harte Feder zerkratzt das Papier. Schade, dass ich damals keine Pigmenttusche kannte, dann hätte ich dem Versuch mehr Zeit gegeben.
Nach gerade einmal vier getuschten und geklebten Comicseiten und zwei größeren Illustrationen, hatte sich der Traum Mangaka von selbst erledigt. Sowohl in Stil und Erzählform bin ich zwei Schritte nach hinten gegangen. Im nächsten Post werde ich euch meine Meilensteine und Fortschritte ab 2004 vorstellen. Erfahrt, wieso ich zur digitalen Malerei kam und wieso mein Stil bis heute keinen Namen trägt.