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Musik

A.L.E.X. – Ein besonderer Song

Manche Songs entstehen zu besonderen Umständen und beschäftigen einen länger und intensiver als erwartet. Mein besonderer Song ist die Pop-Ballade A.L.E.X., die mich mein halbes Leben begleitet hat. In diesem Post beschreibe ich, wie der Song entstanden ist und was ihn aus persönlicher und musikalischer Sicht so besonders macht.

Die wahre Bedeutung des Songtextes

Ich erinnere mich sehr genau an die Situation, als mir die Idee zu „A.L.E.X.“ kam. Ich war 15 Jahre alt und wartete äußerst lange auf eine Straßenbahn, die einfach nicht kam. Plötzlich kam mir die Abkürzung „A.L.E.X.“ in den Sinn und eine fiktive Geschichte eines jungen Mannes. Er ist ein introvertierter Schulabbrecher, der immer Probleme hatte, sich dem System einzufügen. Ich weiß nicht, ob er eine äußerst intelligente, faule Person war oder ein Bad Boy, der niemals aus sich heraus kam. Durch zwielichtige Freundschaften ändert sich das Verhalten. Abstruseste Gerüchte kursierten und niemand wusste, was davon wahr oder erfunden war. Nach dem Schulabbruch war er davon überzeugt, alles alleine zu schaffen. Doch er verstrickte sich in Lügen, die ihn in massive Probleme führten, aus denen er selbst nicht herauskam. Sein Stolz verbot es, nach Hilfe zu fragen und so ertränkte er seine Sorgen in Drogen.

Als Erzähler stelle ich mir einen ehemaligen Klassenkameraden vor, der ihm zehn bis zwanzig Jahre später auf der Straße begegnet. Alex‘ glänzende Augen sehen dich mit diesem mitleidsvollen, ängstlichen und beschämten Blick an. Du weißt, dass du diese Person kennst, aber er war niemals ein Freund, sondern ein ferner Bekannter. Während du dein Leben auf die Reihe gekriegt hast, siehst du zu, vor er auf der Straße lebt. Wie kann es sein, wenn beide einst in derselben Klasse saßen?

Auch wenn die ganze Geschichte nach einem Absturz mit harten Drogen klingt, habe ich mich für Ecstasy als pars pro toto entschieden. Der Grund dafür war die Abkürzung XTC, die den Titel des Songs zu „A.L.E.X.“ zu „All Lies Excuse with Ecstasy“ macht. Dadurch lässt sich der Titel wahlweise als Name und Akronym lesen.

Obwohl die Geschichte reine Fiktion ist, steht eine wahre Aussage hinter diesem Song. Mache etwas aus deinem Leben und spiele niemandem etwas vor. Deswegen endet der Song auch mit „life needn’t be a misery“ (das Leben muss kein Elend sein) und nicht mit einer plumpen Ansage gegen Drogen. Es ist ein Lied über jemanden, der die Kontrolle über sein Leben verloren hat und vor einem Scherbenhaufen steht, der verhindert hätte werden können. Trotzdem gibt es Hoffnung.

Von der Muse geküsst

Als Songwriterin und Komponistin sehe ich „A.L.E.X.“ als besonderes Werk. Es ist das erste Mal, dass ich den Text auf Englisch gedacht habe und keine Wörterbücher verwendet habe. Mit dem Text und der Komposition war ich meinem Alter weit voraus. Ich habe das Klavier gespielt ohne zu wissen, was ich dort eigentlich tue. Schließlich gehörten Vorschläge, Triller, Pedalspiel und Vorzeichenwechsel nie zu meinem Repertoire. Einige Jahre später, als ich die Akkorde für meine Mitmusiker schrieb, wurde mir bewusst, dass ich zum ersten Mal verminderte Akkorde benutzt hatte. Hört in meine Songs von 2006 rein. Ihr werdet merken, dass sich „A.L.E.X.“ auf einem ganz anderen musikalischen Niveau befindet.

Wenn solche unerklärlichen Dinge passieren, wurde man von der Muse geküsst. Es stand für mich fest, dass ich diesen Song umsetze, doch ich wusste nicht, wie. Mein Musiklehrer war begeistert von meiner Idee, doch das Finden von Musiker*innen gestaltete sich damals als sehr schwierig. Ich hatte keinerlei Referenz in der Popmusik. Niemand wollte mir glauben, dass ich eine ernsthafte Pop-Ballade geschrieben habe, weil man mich aus der elektronischen Musik kannte. So lag das Lied viele Jahre auf in der Schublade und hoffte auf einen Zufall.

Dieser kam viele Jahre später, als ich Romans Stimme hörte, der eigentlich im Singer-Songwriter Bereich tätig ist. Ich wusste auf Anhieb, dass er die perfekte Stimme für diesen Song hat. Einige Monate später lernte ich mit Alex einen passionierten Gitarristen kennen, mit dem ich mich sehr lange über Songwriting unterhielt. In unserer ersten Version waren Schlagzeug und Klavier programmiert, weil mir schlichtweg die Kenntnisse fehlten. Ich hätte den Song fertigstellen können, aber es passierten andere Dinge in meinem Leben, die dazu führten, dass ich mich auf die elektronische Musik konzentrierte und diesen besonderen Song aufschob.

Persönliches und musikalisches Wachstum

Prokrastination ist definitiv nicht mein Thema, aber das Schicksal wollte, dass dieser Song wartet und erst im richtigen Moment zur Geltung kommt. Ende letzten Jahres holte ich das Stück aus meiner Schublade. Wie konnte ich diesen Song in jungen Jahren schreiben? Mir wusste schlagartig bewusst, warum ich „A.L.E.X.“ als Teenager nicht fertigstellen konnte: Ich war nicht in der Lage, diesen Song zu fühlen und zu verstehen.

Als ich mich an das Klavier setzte, packte mich der Schwermut dieser Ballade mich wie ein dunkler Vorhang. Ich hatte das Bedürfnis, das Arrangement umzuschreiben. Die künstlichen Instrumente fühlten sich falsch an, so spielte Chad Schlagzeug und Bass ein. Sein Groove brachte mich dazu, das Klavier so oft und so lange zu üben, bis ich Triller, Arpeggios und Vorschlag spielen konnte. Doch auch damit nicht genug, denn ganze zwei Monate beschäftige ich mich mit Arrangements, um die Streicher neu zu programmieren. Ich würde so gerne wissen, wie dieser Song mit einem echten Orchester klingt, denn alles andere sind richtige Instrumente.

Der Link hinter dem Bild führt zu YouTube.

Wenn gute Musiker*innen an einem Projekt sitzen, steigen auch die Ansprüche. Bis heute ist „A.L.E.X.“ der Song, der mich musikalisch und persönlich am meisten gefordert hat. Ich bin als Musikerin gewachsen, indem ich Techniken und Akkorde eingesetzt habe, die ich mir niemals erträumt hatte. Außerdem habe ich gelernt, mit echter Emotion zu spielen. Persönlich nahm ich für mich mit, dass manche Dinge Zeit brauchen. Auch wenn der Text Fiktion ist, gibt es immer einen wahren Kern, sei es ein Gefühl oder ein Gedanke. Wenn man diesen findet, kann man auch nach Jahren einen Song fertigstellen.

Ich bin sehr dankbar, dass ihr euch mit mir auf meine musikalische Reise begeben habt und diesen Song zu etwas Besonderem gemacht hat. Nun wird auch klar, wieso mich dieser Song ein halbes Leben begleitet hat. Er ist es wert und ich bin sehr stolz auf das gemeinsame Ergebnis!

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