Waveforms
Musik

Gegen den Lautheitswahn

Die schwierigste Aufgabe bei der Musikproduktion ist meiner Meinung nach das Mastering – Ganz besonders, wenn es um das Thema Lautheit geht. Ich habe mir das Ziel gesetzt, aktiv etwas gegen Lautheitswahn (engl. Loudness War) zu unternehmen. In diesem Blogpost zeige ich, wie.

Loudness War

Wer in den 2000ern aufgewachsen ist, dürfte sicher schonmal das Wort „Loudness War“ gehört haben. Die Musik auf Radiosendern, Streaming-Plattformen und Werbung wurde lauter und lauter. Dieser Lautheitswahn führte dazu, dass Hörerinnen und Hörer Probleme hatten, Playlists und Mixtapes zu erstellen, ohne dass die Lautstärke ständig ausgeglichen werden mussten. Doch auch Musiker und Produzenten hatten keinen Spaß mit dem Lautheitswahn, denn laute Mixe hören sich häufig metallisch und verzerrt an. Je mehr der Limiter auf die Tube drückt, desto eher verzerrt der Song. Man benötigt kein großes physikalisches Verständnis, um sich vorzustellen, wie eine Sinuswelle in ein Rechteck gepresst wird. Eine Rechteckwelle hat einen wesentlich höheren Durchschnittspegel und klingt somit lauter, aber die Charakteristik des Tons ist anders, metallischer. Gleichzeitig lässt sich eine Rechteckwelle durch eine Reihe an von Sinusschwingungen generieren, indem man viele höhere Harmonische hinzunimmt. Starke Verzerrung ähnelt einer Rechteckschwingung und enthält dadurch viele Oberschwingungen. Es ist sehr schwierig einen Song laut zu mischen, weil man die Obertonbildung einbeziehen muss. In den meisten Fällen scheppert und kratzt der Klang nur.

Kampf gegen den Lautheitswahn

Früher wurde die Lautheit mithilfe der dB RMS (Root Mean Square) Skala gemessen. Darunter versteht man so etwas wie einen Durchschnittswert des Schalldruckpegels. Bei der Einheit dB RMS ist die Gewichtung der Frequenzen gleich, sodass sie sich für diverse technische Anwendungen eignet.

Der Kampf gegen den Lautheitswahn wurde eingeläutet, als die R-128 Norm und damit auch die Maßeinheit dB LUFS eingeführt wurde. Im Gegensatz zur dB RMS Skala werden bei dB LUFS nur die wahrgenommenen Frequenzen in Betracht gezogen und nach dem durchschnittlichen Hörvermögen gewichtet. Die Einheit dB LUFS ist also so etwas wie ein für Menschen gewichteter Durchschnitt der Lautstärke, oder plump: wahrgenommene Lautheit.

Ich mag die dB LUFS Skala sehr, weil sie über viele Musikstile hinweg funktioniert. Gesprochene Sprache, wie z.B. Radiobeiträge, können mit Musik verglichen werden. Einige Streaming-Plattformen haben Regeln festgelegt, wie laut ein Song sein muss, damit er hochgeladen werden kann. In den meisten Fällen liest ein Algorithmus die wahrgenommene Lautheit aus und berechnet den Song neu, damit er auf die Plattform passt. Wenn man sich nicht ausführlich mit dem Thema beschäftigt hat und man einen Song hochlädt, der viel zu laut oder viel zu leise ist, kann der Klang verfälscht werden.

LUFS ist nicht der Wahrheit letzter Schluss

Es ist schwierig, ein Album aus ruhigen Pop Balladen und Punk Rock zusammenzustellen. So schön die R-128 Norm ist, löst sie das Problem der Dynamik nicht vollständig. Ich vermute sogar, dass es unmöglich ist, die dynamische Spannweite (dynamic range) eines Songs zum Vergleich heranzuziehen, weil eine Pop-Ballade von ruhigen und kräftigen Momenten lebt, während ein Punk Rock Song von Anfang bis Ende laut und frech sein darf.

Es hat mich Jahre gekostet, einen Pegel zu finden, der sich auf meinen Songs gut anhört. Vor wenigen Jahren empfahlen viele -10 dB RMS als Pegel für CDs, doch viele meiner Lieblingsplatten sind lauter. -14 dB LUFS waren im Streamingbereich in aller Munde. Zu allem Überfluss laufen auf unterschiedlichen Portalen unterschiedliche Algorithmen, die den Sound glatt bügeln. Wer soll bei diesem Chaos noch durchsehen?

Ich empfinde -10 dB RMS für Popmusik zu laut und -14 dB LUFS für Punkrock zu leise. Meine alten Studienalben waren auf -10 dB RMS gemischt, die neuen auf -10 dB LUFS. Ich kam auf diesen Wert, da er für harte und weiche Musik funktioniert. Einzig Heavy Metal klingt etwas lasch, aber damit kann ich sehr gut leben, wenn eine Pop-Ballade umso lebendiger klingt und keine hörbare Verzerrung hat. Wenn man sich meine Songs im Vergleich zu Radiomusik anhört, wird man feststellen, dass sie wesentlich leiser sind.

Wenn euch meine Songs zu leise sind, gibt es nur einen Weg: Macht es lauter oder schaltet einen Brickwall Limiter hinter. Ich werde es ganz bestimmt nicht tun. Ich möchte nicht, dass meine künftigen Songs verzerrt klingen oder dass die Dynamik raus ist.

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