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Musik,  Technik

Wie arbeitet eine Internet-Band?

Musik machen in Zeiten von Corona ist nicht leicht. Viele Musiker und Produzenten waren in diesem Jahr dazu gezwungen, neue Wege für ihre Musik zu finden. Entstanden sind Jam-Sessions über Videotelefonie, Online Festivals und virtuelle Bandproben. Aus gegebenem Anlass teile ich meine Erfahrungen aus über zehn Jahren online Musik machen als Band. Meine Internetband The Verge hat sich 2007 in einem Forum gefunden. Seit unserer Gründung haben wir über ein Dutzend Songs geschrieben, aufgenommen und produziert.

Wie gründet man eine Internet-Band?

The Verge Logo
The Verge Logo

Horace und ich suchten zeitgleich in einem Musikportal nach Personen, um Rocksongs aufzunehmen. Wir waren beide Homerecording erprobt, sodass sich für uns eher die Frage gestellt hat, wie wir gemeinsam im Internet Songs schreiben und nicht, wie man sein Instrument aufnimmt. Anfangs tauschten wir Akkorde, Texte und Hörbeispiele über E-Mail aus und stellten auf diese Weise unseren ersten Song Let me go fertig. Kurz danach stieg ibzstrat als Solo-Gitarrist in die Band ein und brachte sein Know-how aus dem Blues Rock und Homerecording mit. Zeitweise kamen weitere Werke mit weiteren Musikern und Songwritern zustande.

Mit mehr als drei Personen ist die Zusammenarbeit mit E-Mails schwierig, sodass wir uns neue technische Lösungen für das online Musik machen als Band suchen mussten. Dieser Post beschreibt, welche Fragen haben uns dabei geholfen haben.

Wie kommuniziert eine Internet-Band?

Eine Internet-Band benötigt einen geschützten Raum für Diskussionen. Jedes Mitglied muss nachschauen können, welcher Song wie weit vorangeschritten ist und worüber gerade diskutiert wird. Deswegen spielen Versionierung und Nachvollziehbarkeit eine wesentlich größere Rolle als bei einer Band, die sich wöchentlich für eine Jam Session im Proberaum trifft.

Heutzutage gibt es viele Möglichkeiten, im Internet miteinander zu kommunizieren und Dateien auszutauschen. Bevor man sich für eine Technologie entscheidet, sollte man erst ein Konzept dafür entwickeln, wie die Band online miteinander Musik macht. Das hängt maßgeblich davon ab, wie viel Zeit die Bandmitglieder investieren können und ob sie zeitversetzt arbeiten.

Cloud & IoT
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Die richtige Technik für eine Internet-Band

Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass sich ein Bandmitglied um die Technik kümmern muss. Das Einrichten von Mailinglisten, Clouds und Chats ist ein wenig schwieriger als die Bedienung. Das ist kein Grund zur Panik. Selbst technisch unerfahrene Personen können innerhalb eines Tages eine geeignete Infrastruktur aufbauen. Für eine virtuelle Bandprobe oder eine Kommunikationsplattform müssen Server oder Software gemietet werden. Dieses Kapitel wird stellenweise etwas technisch, aber ihr investiert eure Zeit in wichtiges Wissen.

Videochats und DAWs für synchrone Kommunikation

Trifft sich die Band, um gleichzeitig miteinander zu spielen, bieten sich Chats, Videochats oder Streams an. Eine virtuelle Bandprobe ist eine große technische Herausforderung, da bereits eine Latenz (Verzögerung) weniger Millisekunden den Song außer Takt bringen kann. Es gibt digitale Audio Workstations (DAWs), die sich auf online Jam-Sessions spezialisiert haben. Diese fertige Software wird oftmals als Abonnement angeboten und setzt bei jedem Mitglied eine schnelle Internetverbindung voraus. Um die Verzögerung gering zu halten, sollte man sich möglichst auf demselben Server einloggen, der in der geografischen Mitte aller Mitglieder liegt. Eigene Lösungen lohnen sich nicht, weil man dafür leistungsstarke Streaming-Server braucht. Wenn alle Bandmitglieder virtuell dazustoßen, sollten Bandproben nicht regelmäßig öffentlich gestreamt werden. Die Anzahl der Zuschauer kann die Serverkapazitäten, die Verzögerung und den Traffic (Datenverkehr) sehr schnell in die Höhe treiben.

Falls bei einer Jam Session eine Songskizze entsteht, kann sie durch Vor- und Zurückspulen einer Aufnahme nachgebaut werden. Am besten sollte man Aufzeichnungen auf einem Onlinespeicher ablegen, der bei Bedarf freigegeben wird.

Foren und Wikis für asynchrone Kommunikation

The Verge ist eine Studioband, die an unterschiedlichen Tagen und Uhrzeiten arbeitet. Deswegen legen wir unser Hauptaugenmerk auf Versionierung und Nachvollziehbarkeit.

Für die Online-Kommunikation bieten sich Chats, Wikis, E-Mail-Verteiler oder Foren an. All dies kann man kostenlos herunterladen und installieren, sofern man einen Webserver mietet. Ich ziehe Wikis und Foren vor, weil die Band jederzeit nachsehen kann, wer was zu welchem Thema geschrieben hat. Außerdem können technische Rollen definiert werden, die man beispielsweise für Gastmusiker*innen nutzen kann, die keinen Zugriff auf interne Besprechungen haben sollen.

Es ist besser, Dateien von der Kommunikationsplattform zu trennen, damit die Plattform schneller und stabiler lädt. Für den Austausch von Dateien bieten sich Webserver, Cloud-Speicher, One-File-Hoster oder Dokumentenmanagementsysteme (DMS) an. Wir nutzen aus datenschutzrechtlichen und sicherheitstechnischen Gründen einen deutschen Webserver mit sFTP und SCP Verbindungen. Dafür muss jedes Bandmitglied ein Programm für die Dateiübertragung installieren. Das Hochladen einer Datei ist genauso einfach wie eine Datei auf einen USB-Stick zu sichern. Unsere Dateien liegen nur ein einziges Mal auf dem Server. Passwortgeschützte Ordner sollen eingerichtet werden, wenn keine unfertigen Songs im Internet gefunden werden sollen. Macht euch mit der .htaccess Datei und robots.txt vertraut, wenn ihr einen Webserver nutzt.

Lohnt sich eine Cloud?

Wer sich für eine Cloud entscheidet, profitiert von der einfachen Einrichtung, automatischen Synchronisation, integriertem Verzeichnisschutz und klaren Benutzerrechten. Je nach Umsetzung kann es jedoch dazu führen, dass die Datei mehrmals auf dem Server liegt. Deswegen sollte die Band vorher besprechen, wie viele Stände einer Datei existieren dürfen. Der Datendurchsatz ist gering, weil jeder die Dateien nur einmal herunterlädt und unsere Zugriffe zeitversetzt sind. Bei fertiger Software solltet ihr dringend die AGBs lesen, damit eure Daten auf einem deutschen Server liegen. Das Thema Datenschutz kann sonst sehr kompliziert werden.

Wie schreibt man einen Song ohne Proberaum?

Wenn man nicht im Proberaum jammt, muss man seine Akkorde und Noten auf eine andere Weise durchgeben. Dank meiner Internet-Band musste ich mir erstmals Gedanken über Musiknotation machen. Es ist essenziell, sich auf eine Notation zu einigen, auch wenn dies für manche Mitglieder bedeutet, sich auf Neues einzulassen.

Geeignete Musiknotationen für Bands

The Verge - Haunted
The Verge – Haunted

Wir tauschen unsere Songskizzen in Form von Hörproben und Akkordnotationen aus. Das ist die verbreitetste Notation für Bands, die Pop- und Rockmusik spielen. Für den Song Haunted sieht es beispielsweise so aus:

E-Moll, 100 BPM:

| Em | Em | Cmaj7 Am7 | D6 |
| Em7 C | Em7 C | Em7 C | Am Hm |

The Verge – Haunted (Intro)

Die Querstriche stehen für Takte. Ich rate dringend davon ab, konkrete Umkehrungen und Griffe zu nennen, weil jedes Instrument einen anderen Tonumfang besitzt und anders gespielt wird. Klärt bitte auch, ob ihr die internationale oder die deutsche Notation verwendet, weil man sonst H mit B verwechseln kann und die Schreibweise von Sept-Akkorden nicht eindeutig ist.

In einer meiner früheren Bands wurden Akkorde, Melodien und Rhythmen als Notenblätter und Fingersätze ausgetauscht. Leider kann ich diese nicht auswendig schreiben und lesen, sodass ich immer den Umweg über MIDI Dateien und Notensatzprogramme gehen musste. Es war ein erheblicher Mehraufwand, sodass ich die Akkordnotation empfehlen kann.

Legt einen Standard für die Aufnahme fest

Es ist wichtig, beim Aufnehmen auf einen Audiostandard zu setzen. Das Konvertieren von Musik- und Videodateien geht häufig zu Lasten der Qualität. In vereinzelten Fällen kann es dazu führen, dass sich Tonhöhen, Bildformate oder Schnittmarken verschieben. The Verge arbeitet mit einer Aufnahmequalität von 16 Bit und 44.1 kHz. Wir tauschen häufig Broadcast Wave aus, da es Position, Marker und Tempo der Audiospuren beinhaltet. So kann auch mehrspuriges Arrangement von anderen Audioprogrammen gelesen werden, ohne dass die Spuren und Schnipsel neu ausgerichtet werden müssen.

Aufgabenteilung in einer Internet-Band

In unserer Internetband The Verge steht es jedem frei, die Initiative zu ergreifen. Mal teilt der Gitarrist ein prägnantes Riff, mal entsteht der Songtext zuerst, manchmal schreiben wir alle gemeinsam an einem Song. Ich habe die beste Erfahrung damit gemacht, dass eine Person mindestens einen Part (z.B. den Refrain) schreibt und die Einzelspuren als mp3 aufnimmt. Auf dieser Skizze kann jedes Bandmitglied nach Belieben ansetzen. In der Entwurfsphase kommt es uns nicht auf den perfekten Sound, sondern auf den Aufbau und die Instrumentierung, auch Arrangement genannt, an. Sobald dieses in groben Zügen steht, wird sie von einer Person zu einem Song zusammengefügt und abgemischt. Diese Aufgabenteilung in hat sich in unserer Band natürlich ergeben, weil ich meistens die Synthesizer komponiert haben, die als letztes ins Arrangement kommen.

Frau am Schreibtisch
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Mixing und Mastering liegen bei einer Person

Sind alle Bandmitglieder mit dem Arrangement einverstanden, werden die richtigen Spuren einzeln und in hoher Qualität aufgenommen. Dazu legt jede*r in ihrer*seiner DAW ein Projekt mit dem abgestimmten Takt und Tempo an. Bei der Aufnahme kann das Mitglied die mp3s oder die Schlagzeugspur als Backing (Hintergrund) nutzen.

Auch wenn die Produktion bei mir liegt, haben die Mitgliederzeit jederzeit die Möglichkeit, über Forum oder Mail Ratschläge und Feedback zu geben. Manchmal entstehen auch nach dem ersten Mix Gitarren-Soli, Licks, Adlibs oder Effekte. Nach dem Mixing folgt das Mastering. Wir achten darauf, dass die Songs alle gleich laut klingen und dass das Stereofeld ähnlich breit ist. Ich halte mich im Refrain an -10 dB LUFS, lasse viel Dynamik zwischen Strophe und Refrain, was meistens zu einem Durchschnittspegel von -12 dB LUFS führt. Da die Musik nur über das Internet geteilt wird, entfallen weitere Schritte des Masterings.

Klärung der gemeinsamen Ziele und Rechte

Eine Band sollte möglichst früh offen darüber sprechen, was sie mit dem Projekt bezweckt und wie viel Zeit sie investieren kann. In einer Internet-Band spielt es eine große Rolle, wie sie nach außen wirken möchte und wer die Songs auf welche Weise verteilen darf. Je früher das gemeinsame Bandziel geklärt und eine Einigung erzielt wird, desto reibungsloser läuft die Zusammenarbeit ab.

e-commerce
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Sollte die Band Social-Media-Kanäle oder Websites betreiben, ist es wichtig, einen festen Ansprechpartner zu definieren. Es ist zwar lobenswert, wenn jeder Posts verfassen möchte, aber damit die Band nach außen hin geschlossen wirkt, sollte nur eine Person den Text freischalten. Sonst werden die Fans von einer Person geduzt und von der anderen gesiezt. Natürlich haben alle Mitglieder jederzeit die Möglichkeit, in die Kanäle hineinzuschauen und ein Veto einzulegen.

Fazit

Nach zehn Jahren online Musik machen als Band habe ich nicht nur viel über das Aufnehmen und Produzieren von Rockmusik gelernt, sondern auch viel über IT. Allen voran hat online Musik machen viel mit verteilter Kommunikation und Projektmanagement zu tun. Wenn ihr im Internet gemeinsam Musik machen wollt, müsst ihr euch nicht nur Gedanken über die Musik, sondern auch über Technologien, Datenschutz, Sicherheit und Kommunikation machen. Eine Internet-Band spart vielleicht Proberaumkosten, aber es steckt genauso viel Arbeit dahinter.

Habt ihr mit eurer Band online Musik gemacht?

Wie habt ihr euch organisiert?

P. S. Dieser Artikel verlinkt häufig auf Wikipedia, um Fachbegriffe zu erklären. Ich erhalte weder Geld noch Gegenwert für die Nennung von Technologien, sondern teile meine persönliche Erfahrung. Um den Artikel zu drucken, solltet ihr diese Seite ganz nach oben scrollen und dann drucken.

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