Songwriting Techniken zum Ausprobieren
Hast du Lieblingstechniken für Songwriting? Manche Künstler entwickeln eigene Techniken und Prozesse, um schneller Songs zu schreiben. In diesem Post dreht sich alles um Songwriting Techniken, die dir helfen können, einen Song von Anfang an zu schreiben.
Nach vielen Gesprächen mit Musiker*innen und Texter*innen ist mir aufgefallen, dass es sehr viele verschiedene Möglichkeiten gibt, Songs zu schreiben. Personen, die sich als Texter*in identifizieren, schreiben zuerst Text oder Gesang, während Schlagzeuger eher mit dem Groove anfangen und einen Bass hinzufügen. Viele Wege führen nach Rom, so ist keiner falsch oder ineffizient. Es lohnt sich auch andere Methoden auszuprobieren und seinen*ihren Horizont zu erweitern.
Thematisches Songwriting
Im thematischen Songwriting geht es darum, einen Song rund um ein musikalisches oder inhaltliches Thema zu schreiben. Hier ein paar Ideen, wie man einen anfängt.
Mit dem Text anfangen
Bist du ein Poet und Wortschöpfer? Mancher Songwriter*innen wissen schon bevor sie den Stift angesetzt haben, über welches Thema sie schreiben möchten und beginnen mit dem Text. Interessant ist, dass diese Texte bereits Metrik und Reimschema besitzen. Selbst wenn man die Melodie nicht kennt, gelingt es einem*einer guten Wortkünstler*in, die Worte so auszuwählen, dass sie sich wie selbst rhythmisch lesen. Dann benötigt man nur noch die Tonhöhen, um daraus eine singbare Melodie zu komponieren.
Vor gut einem Jahr habe ich eine neue Methode ausprobiert: Wortfelder und Mindmaps. Man beginnt mit einem Thema oder Stichwort und generiert Worte, die verwandt sind. So kann ein Gebäude mit Haus oder Konstruktion assoziiert werden, die Konstruktion mit einer Baustelle und die Baustelle mit Lärm und Dreck. Wenn man eine Handvoll Worte hat, kann man daraus Phrasen bilden. Es war eine sehr schwierige und interessante Erfahrung für mich.
Eine ähnliche Methode besteht darin, den Songtext auf 2-4 Phrasen aufzubauen und gezielt nach Reimen zu suchen. Es gibt spezielle Wörterbücher dafür. Es hilft, Metrik und Reimschema einzuhalten, aber man sollte dabei auch aufpassen, keine zu offensichtlichen Reime wie „you“ und „blue“ zu verwenden.
Viele Songwriter schreiben spontane Gedanken und Gefühle auf zu. Momente werden in Worte geschrieben, manchmal ist es Gefühlschaos, das sich während des Schreibens sortiert oder das, was man gerade am Fenster beobachtet. Es ist eine natürlichere Art, die Idee mit den Wortfeldern und Mindmaps zu verfolgen und scheint wohl im Singer-Songwriter und Country beliebt zu sein.
Sounddesign zuerst
Ich muss zugeben, dass ich nie zu dieser Methode gekommen wäre, wenn ich nicht mit Produzent*innen, Keyboarder*innen und Gitarrist*innen geredet hätte, die sich für Sounddesign begeistern. Man kann Stunden damit verbringen, einen einzigen Sound am Verstärker, Effektgerät oder Synthesizer zu kreieren. Manch Ton inspiriert einen zu Melodien. Wenn das erste Instrument aufgenommen wurde, folgt das Zweite mit ähnlicher Technik. Es ist eine sehr kreative und intensive Erfahrung, die zu einem Song mit interessanten und innovativen Sounds führt. Genre wie Ambient, Lo-Fi, Shoegazing oder Djent können nicht ohne versierte Sounddesigner*innen existieren.
Auch wenn man sich in der Welt der Synthesizer und Gitarren-Effektgeräte nicht wohlfühlt, kann man diese Methode ausprobieren, indem man ein beliebiges Preset nimmt und ein paar Töne spielt. Wenn man sich nicht inspiriert fühlt, lädt man den nächsten Sound. Irgendwann dreht man selbst an den Reglern und beobachtet was passiert. Auf diese Weise habe ich „Neotokyo“ komponiert. Ich habe mit den Einstellungen des Kompressors experimentiert und dadurch aus einem gewöhnlichen Klavier einen recht seltsamen Sound kreiert. Die Melodie fiel mir erst danach ein.
Zuerst der Rhythmus
In meinen frühen Jahren habe ich viele Songs auf Basis einer Rhythmusspur geschrieben. Ich habe ein beliebiges Tempo gewählt, ein paar Samples geladen und dadurch ein typisches Intro für elektronische Tanzmusik erstellt. Dieser Rhythmus wird durch Percussion-Elemente, tonale Einwürfe oder Loops nach und nach aufgebauscht. Danach folgt der Bass und schon landet man wieder im melodischen Bereich.
All die Jahre ging ich davon aus, dass es eine typische Vorgehensweise des EDM ist, aber ich habe mit Rock- und Fusion Schlagzeuger*innen und Bassist*innen geredet, die ähnlich arbeiten. Ein Rhythmus kann mindestens genauso einprägsam sein wie eine gute Melodie. Ich habe dies nie für möglich gehalten, bis ich „Wrench in the works“ komponiert habe. Der Song entstand aus einem markanten Schlagzeug-Groove im 6/8tel Takt.
Das rhythmische Zusammenspiel von Schlagzeug und Bass ist wichtig, ganz gleich ob Elektro oder handgemachte Musik. Ein guter Song braucht einen guten Groove. Wenn man mit dem Rhythmus anfängt, landet man automatisch bei der Songstruktur, denn der Groove darf sich nicht zu oft wiederholen.
Einen Song rund um eine Melodie bauen
In der klassischen Musik, Filmmusik oder Jazz ist die Idee, einen Song rund um ein musikalisches Thema zu schreiben, recht verbreitet. Natürlich wird es langweilig ein und dieselbe Melodie in zig Wiederholungen zu hören. Variationen entstehen durch andere Instrumente, unterschiedliche Betonungen, Tonartwechsel oder Inversionen. Wenn man sich tiefer mit dem Thema befassen möchte, sollte man eine Playlist mit klassischen Variationen hören oder eine Jam Session besuchen.
Es gibt mehrere Möglichkeiten eine gute Melodie für einen Song zu schreiben. Wenn man die Akkorde zuerst entstanden sind, kann man die Tonart herausfinden und darauf improvisieren. Ich kenne Personen, die ihre Melodien auf Basis von Arpeggios (aufgelöste Akkorde) komponieren. Und wer nicht ganz so tief in der Musiktheorie ist, schreibt einfach drauf los.
Als Solist*in oder Arrangeur*in hat man vielleicht auch davon gehört, dass man eine Melodie nicht nur durch Akkorde, sondern auch durch andere Melodien harmonieren kann. Man nimmt ein anderes Instrument und jammt drauflos. Je mehr Instrumente stehen, desto weniger Akkorde bleiben, die zu all dem passen.
Arrangement Songwriting
Die oben genannten Techniken gehen davon aus, dass sich der Song um ein inhaltliches Thema, musikalisches Thema oder Gefühl zusammensetzt. Wer sich eher im Arrangement zu Hause fühlt, wird andere Methoden für das Songschreiben kennen, die darauf hinauslaufen, dass die Struktur vor den Instrumenten steht und durch Details ergänzt wird.
Komposition mit dem Hauptinstrument
In Serien und Filmen werden Songwriter*innen häufig als Gitarrist*innen und Pianist*innen gezeigt, die Songs an ihren Instrumenten schreiben und dazu singen. Da ist etwas Wahres dran, aber es trifft nicht auf alle zu. Wer sich als Arrangeur*in wohlfühlt, schreibt Akkorde und Struktur zuerst, oder manchmal parallel zur Melodie. Wenn man die Gitarre oder das Klavier zur Hand nimmt, steht die Struktur bereits. Das Arrangement wird nach und nach durch neue Elemente ergänzt. „Going My Way“ entstand auf diese Weise am Klavier.
Je mehr ich mit befreundeten Musiker*innen rede, desto mehr merke ich, dass es Theoretiker*innen und Pragmatiker*innen gibt. Wer Musiktheorie liebt, geht Akkordfolgen, Tonartwechsel und Improvisationen ganz anders an. Ich habe gelernt, dass musikalische Funktionstheorie und Kadenztheorie zwei Ansätze sind, um (a) den nächsten Akkord mit einem bestimmten Gefühl zu finden und (b) eine vorhandene Melodie entlang einer Tonart mit Akkorden zu füllen. Jazztheorie geht sogar noch einen Schritt weiter.
Pragmatiker*innen schreiben Akkorde wie sie in den Sinn kommen. Manchmal wird auch ausprobiert, bis es klingt, ganz unabhängig davon, in welcher Skala man gerade unterwegs ist. Trotzdem besitzen viele Pragmatiker*innen musiktheoretisches Grundwissen. Sie kennen den Quintenzirkel und den Unterschied zwischen Dur und Moll. Man kann also auch mit wenig bis keinem Wissen über Musiktheorie eine Akkordfolge schreiben, die Musiktheoretiker*innen mögen. Deswegen glaube ich nicht daran, dass einer dieser beiden Wege falsch ist.
Mit Skizzen oder finalen Aufnahmen arbeiten
Komponist*innen, Instrumentalist*innen und Arrangeur*innen haben unterschiedliche Vorstellungen davon, wann man auf den Aufnahmeknopf drückt. Manch einer konzentriert sich auf einen Part und lernt ihn so gut, dass sofort final aufgenommen werden kann. Digitale Hilfsmittel ermöglichen es, bereits aufgenommene Teile im Arrangement zu verschieben. So können sie ihren Song Stück für Stück aufbauen und das Arrangement während der Komposition flexibel halten.
Ich kenne aber auch Personen, die die komplette Struktur und Arrangement kennen müssen, bevor etwas aufgenommen wird. Und Personen, deren erste Skizze kaum mit dem Ergebnis vergleichbar ist, weil diese an der Akustikgitarre im Proberaum entstanden ist. Beiden Personen geht es darum, die Struktur des Songs möglichst früh festzuzurren. Es erinnert stark an die Songwriter*innen, die mit ihrem Lieblingsinstrument komponieren, aber wir gehen noch einen Schritt weiter: Jede Spur klingt wie eine Skizze und wird nach und nach verfeinert. Erst wenn das Arrangement steht, wird in guter Qualität aufgenommen.
Keine Methode ist falsch oder richtig. Ich habe bloß die Erfahrung gemacht, dass bei der musikalischen Zusammenarbeit wissen muss, wie der*die jeweils andere Songs schreibt. Ich gehöre ganz eindeutig zu der Sorte, die schlimme Skizzen schreibt und alles verfeinert.
Mit dem Tutti anfangen
Habt ihr eure Mitmusiker*innen schonmal gefragt, welcher Part zuerst geschrieben wird? Soll man im Intro anfangen, eine Strophe schreiben und dann den Refrain? Oder doch lieber in der vollen Instrumentierung (tutti) anfangen? Beide Methoden haben interessante Argumente dafür und dagegen.
Ich habe häufig beobachtet, dass Sounddesigner*innen Intros und Outros lieben. Sie können wunderbare Soundlandschaften erzeugen, die Hörer*innen in den Bann zieht. Das größte Problem dürfte die konstante Verkürzung kommerzieller Musik sei, denn wie möchte man in einem Song unter 3 Minuten ein Intro erstellen? Für das Schreiben von Beginn an sprechen zwei Dinge. Erstens ist man harmonisch und strukturell äußerst flexibel, was den restlichen Song betrifft. Zweitens ist ein Aufbau Intro, Strophe, Refrain einfacher zu realisieren.
Wer mit dem Tutti beginnt, kennt alle Instrumente, die er*sie im Laufe des Songs verwenden kann und muss sich nur noch Gedanken darüber machen, wann diese anfangen und aufhören. Allerdings ist es wesentlich schwieriger harmonisch passende Strophen zu schreiben.
Wie gehe ich einen Song an?
Erstmal vielen Dank dafür, dass ihr diese ausführlichen Gedanken zum Thema Song schreiben lest. Ihr habt dem Text sicher entnommen, dass ich viele Techniken ausprobiert habe. Einen Song auf Sounddesign, Wortfelder oder Rhythmus aufzubauen fiel mir sehr schwer. Da habe ich gemerkt, dass ich mich viel mehr als Arrangeurin fühle.
Ich bevorzuge es, Songs im Tutti oder Refrain zu schreiben. Die Gründe dafür sind recht einfach: Ich mag eingängige Melodien und wenn ich im vollsten Part anfange, kenne ich bereits alle Instrumente. Dafür tue ich mich sehr schwer damit, Strophen zu schreiben. Während der Songwriting- und Arrangement-Phase sind meine Spuren Skizzen, die später richtig aufgenommen werden.
Trotz all dem hat sich der Blick hinter den Tellerrand gelohnt. Ich habe sehr viel über Songwriting gelernt.